Neue Wirkstoffe für Autisten
Feb
Was sind Autisten und Asperger?
Autisten leben in ihrer eigenen Welt und sind sehr absonderlich, innerlich abgeschottet, überängstlich, reden nur sehr wenig, wenden Blick von ihren Mitmenschen ab und haben nicht selten großartige Talente. Manche Betroffene haben noch nie im Leben mit ihren Familienangehörigen ein Wort gewechselt, andere wiederum reden wie wenn sie Quasselwasser geschluckt hätten. Man darf allerdings normalen Autismus nicht mit dem Asperger Syndrom verwechseln, das eine leichte Form von Autismus ist.
Bei den Autisten fallen selbst die alltäglichen Verrichtungen schwer, so dass sie nur noch in einem Heim betreut werden müssen. Einige von ihnen haben wie gesagt große Talente und können sich viele Dinge merken, wie beispielsweise ganze Adressen von Telefonbüchern, andere können mit Wissen verblüffen, was vergleichbar mit einem wandelnden Lexikon ist. Wiederum andere haben ein fotografisches Gedächtnis oder ein musikalisches Talent.
Ich möchte noch einmal auf das Asperger Syndrom eingehen: Asper haben eine überdurchschnittliche Intelligenz und sind durchaus in der Lage Studien und auch Gymnasien zu absolvieren. Es gibt allerdings auch Beeinträchtigungen im sozialen Bereich, sie können beispielsweise die Mimiken und Bedeutungen ihres Gegenübers nicht deuten bzw. sie können sich nicht in andere Menschen hineinversetzen, Ironie und Zweideutigkeiten verstehen und lachen zu den unpassensten Situationen, weil sie die Zusammenhänge nicht verstehen können (Beispiel: Die Lehrerin hat sich über die Schüler geärgert und schimpft mit ihnen. Da die Asperger den Zusammenhang nicht verstehen, lachen diese darüber, dass die Lehrerin rot geworden ist. Diese Situation führte schließlich zu Missverständnissen).
Der normale Autismus und das Asperger-Syndrom haben aber eins gemeinsam, dass die Menschen überall anecken und diese werden auch oft von ihren Mitmenschen wegen ihrer Absonderlichkeit gehänselt, verspottet oder gar gemoppt. Während Autisten kaum in der Lage sind Freundschaften aufzubauen, da sie in ihrer eigenen Welt leben, schaffen dies Asperger ohne Probleme.
Autisten sind meistens in der Schule in den Pausen alleine, da sie sich lieber mit sich selber beschäftigen, als mit anderen Kindern und neigen zu sogenannten Ticks. Die Menschen mögen keine Umarmungen, Berührungen oder kein Hände schütteln, da dies ein Eindringen in ihre Privat- oder Intimsphäre ist. Zu Gefühlen sind die Autisten aber durchaus in der Lage, sie können diese nur nicht so zeigen. Die Autisten mögen auch keinen unangekündigten oder spontanen Besuch, bei ihnen sollte man sich also immer vorher telefonisch ankündigen.
Berühmte Personen wie Albert Einstein und Mozart sollen angeblich auch autistisch veranlagt gewesen sein, was aber nicht bewiesen ist, da sie durchaus auch offen für Freundschaften gewesen sein sollen. Einstein war zwar verheiratet, die Ehe soll jedoch schwierig gewesen sein, da er sich weigerte, seine Kinder zu berühren. Eindeutig bewiesen ist aber dass Schauspieler Dan Akroyd (Ghostbusters) Autist ist und Craig Nichollos (Sänger der Rockband „The Vines„).
Autisten- eine Entwicklungsstörung?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet Autismus zu den neurologischen Entwicklungsstörungen. Je nach ausgesprägter Form tritt Autismus nach Expertenschätzungen mit einer Häufigkeit von eins zu 100 bis eins zu 1000 in der Bevölkerung auf. Dass das Leiden vererbbar ist beweisen einige Studien bei eineiigen Zwillingen: Es sind sogar mehrere genetische Veranlagungen bekannt, die mit dieser Erkrankung in Verbindung stehen. Bislang ist Autismus leider nicht behandelbar. Das könnte sich jedoch mithilfe eines seit langem bekannten Medikaments bald ändern, das Bumetanid heißt. Diesen Wirkstoff verschreiben Ärzte eigentlich als Entwässerungsmittel bei Herz- und Nierenleiden. Es unterbindet aber im Tiermodell fehlgesteuerte soziale Verhaltensweisen, die denen beim menschlichen Autismus ähnlich sind, wie die Kollegen vom Institut de Neurbiologie de la Mediterranee in Marseille im Fachmagazin bekundeten.
Der Wirkstoff soll auch Kindern helfen
Die Forscher haben das Mittel schwangeren Mäusen und Ratten injiziert, die aufgrund künstlich gesetzter genetischer Defekte autistische Symptome ausprägen und diese weiter an andere Tiere vererben. Diese fallen durch Überängstlichkeit auf und meiden vor allem den sozialen Kontakt mit Artgenossen. Dieser Eingriff bewirkte, dass der Nachwuchs dauerhaft vor solchen sozialen Absonderlichkeiten geschützt war. Keines der im Mutterleib mit diesem Medikament in Berührung gekommenen Jungtiere ist je an Autismus erkrankt. Wie ein Forscher bekundete, ist es aus ethischen Gründen nicht möglich, das Mittel wie im Experiment beim Menschen einzusetzen – es gibt allerdings einen Ausweg.
Bereits Ende 2012 hatten die Kollegen im Fachblatt einen Artikel veröffentlicht, in dem sie über die Ergebnisse einer klinischen Studie mit autistischen Kindern berichteten, die mit diesem Medikament behandelt wurden. Durch das Mittel konnten die Symptome der neurologischen Störung abmildern, so dass die behandelten Kinder besser am sozialen Leben teilnehmen konnten. Zurückzuführen ist dies auf die Fähigkeit des Medikaments, das Gleichgewicht der Nervenaktivität im Gehirn positiv zu beeinflussen. Eingeschlossen in die Studie waren ungefähr 60 Kinder im Alter zwischen 3 und 11 Jahren, die an einer bestimmten Form von Autismus litten. Die Kinder wurden per Zufallslos in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt: Die eine Gruppe erhielt für drei Monate täglich ein Milligram dieses Medikaments, die andere ein gleich aussehendes Scheinmedikament. Der Ansatz stellte auf jeden Fall sicher, dass die mit dem Medikament erzielten Wirkungen vergleichbar sind.
Verhalten der Kinder besserte sich
In der Gruppe der Kinder, denen das Medikament verabreicht wurde, kam es zu einer Verbesserung der Symptome um fast zehn Prozent. Diese Kinder lebten weniger zurückgezogen und waren auch kommunikativer. Der Forschungsleiter ist davon überzeugt, dass das Mittel bei den meisten Kindern den Schweregrad der autistischen Störungen lindert, auch wenn keine vollständige Heilung erzielt wurde. Die Kinder sind laut der Eltern weitaus mehr präsent. Der Nervenbotenstoff GABA steht im Zentrum der Untersuchungen, der normalerweise beruhigend auf überaktive Neurone wirkt, indem er an besondere Erkennungsstellen an den Nervenzellen andockt. Der verbreitete Stoff sorgt im Gehirn, dafür dass die Kinder ein Gleichgewicht zwischen Erregung und Dämpfung der Nervensignale erfahren. Die Forscher haben die Vermutung, dass der zentrale Mechanismus bei Autismus gestört ist, so kommt es dann zu einem Übergewicht erregender Nervenimpulse. Der Wissenschafter in Brest hatte die paradoxe Wirkung von Valium bei autistischen Kindern untersucht und herausgefunden, dass das Schlafmittel bei den Patienten keinen beruhigenden Effekt erzielt, ganz im Gegenteil: Es wirkte eher wie ein Aufputschmittel.
Gehirn wird zu stark beansprucht
Die Ursache ist eine Störung des GABA-Rezeptors auf den Nervenzellen im Gehirn, wobei diese Störung dazu führt, dass die Konzentration von Chlorid, ein Salzbestandteil in den Nervenzellen so stark ansteigt, dass der Rezeptor nicht mehr selbständig arbeiten kann. Dabei wird das Gehirn von einer Flut erregender Nervensignale nahezu überschwemmt. Die Forscher hatten den Plan ein Mittel zu erfinden, das den Salzbestandteil aus dem Nervensystem ausschwemmt und die krankhafte Überregung in den Nervenzellen so zu dämpfen, dass die Autismus-Symptome gemildert werden.
Aufgrund der aktuellen Studienergebnisse ist der Mechanismus bereits bei der Entwicklung des Fötus im Mutterleib wirksam, so dass sich im Tierversuch die Ausprägung einer neurologischen Störung vollständig verhindern ließ. Es spielt aber auch das bei der Schwangerschaft in großen Mengen ausgeschüttete Hormon Oxytocin eine sehr wichtige Rolle, denn seit längerem ist ja bekannt, dass Menschen, die an Autismus leiden, zu wenig Oxytocin bilden. Der bekannte Faktor „Kuschelhormon“ sorgt für eine sehr intensive Bindung und fürsorgliche Zuwendung der Mutter, dieser ist aber auch ein Nervenbotenstoff.
Schalter im Gehirn und Bindungshormon
Im Gehirn des entwickelnden Nachwuchses wirkt dieser Stoff wie ein Schalter, der die Balance zwischen erregenden und hemmenden Nervenimpulsen reguliert. Wie die Forscher feststellten wird dieser Schalter aber im Falle von Autismus nicht ausgeprägt. Vor wenigen Wochen hatten Wissenschaftler in New Haven, Connecticut den Zusammenhang in einer klinischen Studie an Kindern und Jugendlichen mit Autismus belegt. Mittels eines Oxytocin-Nasensprays wurde die Aktivität in jenen Teilen des Gehirn der Patienten verbessert, die soziale Informationen verarbeiten kann. Es sind aber noch nicht alle Wirkungen des Hormons und Nervenbotenstoffes erforscht.
Es sind noch nicht alle Untersuchungen abgeschlossen, vor allem möchte man die möglichen Zusammenhänge zwischen Komplikationen in der Schwangerschaft, Kaiserschnittgeburten und in den vergangen Jahren steigenden Autismus-Diagnosen noch erforschen. Die Wissenschaftler verstehen dank der Mäusestudien die Ursachen für die Entwicklungsstörungen. Dies lässt sie hoffen, dass in absehbarer Zeit ein Mittel gegen Autismus gefunden wird – die Frage ist nur ob die Autisten dies auch persönlich wollen, weil dadurch ihre Persönlichkeit vollständig verändert wird. Schließlich sind viele so zufrieden, wie sie derzeit leben.